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Pastor Dietmar Päschel

Pastor
Ökumenischer Rat Berlin-Brandenburg (ÖRBB)
freikirchl./adv.

Grußwort zur Eröffnung der
Ökumenischen Märtyrer-Ausstellung
am 21. Oktober 2022

P. Dietmar Päschel
Vorsitzender der Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft der Freikirchen und altkonfessionellen Kirchen Berlin-Brandenburg

Wenn wir heute dankenswerterweise eine Ökumenische Märtyrer-Ausstellung eröffnen, verdeutlicht das zurecht, dass es eine kirchen- und konfessionsübergreifende „Wolke von Zeugen“ (Hebr 12,1) gibt. In der Tat haben die Erfahrungen von zugespitzter Bedrohung und existentieller Gefährdung oft zu einer ökumenischen Solidarisierung geführt.

Sichtbar wurde das beispielsweise im Konzentrationslager Dachau. Die gemeinsame Gefangenschaft der 2.720 Geistlichen im KZ Dachau wurde als eine „Keimzelle der ökumenischen Bewegung“ bezeichnet. Die Priesterweihe des späteren Märtyrers Karl Leisner im KZ zeigt das eindrücklich. Evangelische Geistliche stellten aus ihren Essenrationen das Beste zusammen, um nach der Weihe eine Feier für ihren katholischen Mithäftling zu ermöglichen.

Daneben gestalteten sie einen Glückwunschbrief. Unter dem mahnenden Jesuswort „So wachet nun, denn ihr wisset nicht, wann der Herr des Hauses kommt“ (Mk 13,35), schrieben sie in kunstvoller Schrift: „Zu deiner Priesterweihe erbitten und wünschen wir dir, lieber Karl Leisner, Gottes Gnade, den Frieden unsres Herrn Jesus Christus und den Beistand des Heiligen Geistes, deine evangelischen Mitbrüder: Am 3. Sonntag im Advent 1944“ . Handschriftlich unterzeichneten 30 evangelische Pfarrer aus Deutschland, Norwegen, den Niederlanden, Frankreich, der Tschechoslowakei und Polen.

Die beeindruckende geschwisterliche Ökumene der Märtyrer darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Blutzeugen als Einzelne handeln mussten. Momente der Einsamkeit und gewiss auch der Verlassenheit werden vielen nicht fremd gewesen sein.

Prälat Bernhard Lichtenberg, der in der Ökumenischen Märtyrer-Ausstellung porträtiert wird, hinterließ ein einzigartiges Zeugnis als Einzelner. Unter dem Eindruck der brennenden Synagogen betete er in den Gottesdiensten für die Priester in den KZs und gleichermaßen für verfolgte Juden. Nach den vorliegenden Quellen war Prälat Lichtenberg der einzige Geistliche, der in öffentlichen Gottesdiensten Fürbitte für das jüdische Volk hielt.

Der Prozess der Erinnerung ist notwendig und unverzichtbar. Das gilt für das beispielgebende Erinnern an Märtyrer genauso wie für das Bewusstwerden von Schuld und Versagen. Kleinere Kirchen scheint dieser Prozess vor eine größere Herausforderung gestellt zu haben. Sie benötigen mehr Zeit als die beiden großen Kirchen, um eine Sprache zu finden. So stammt das Hamburger Baptistische Schuldbekenntnis aus dem Jahr 1984, die Erklärung der Evangelisch-Methodistischen Kirche aus dem Jahr 1988, die Mennonitische Stellungnahme aus dem Jahr 1995 und die Erklärung der Siebenten-Tags-Adventisten, denen ich selbst angehöre, aus dem Jahr 2005. Aufgrund der langsameren Prozesse des kirchlichen Erinnerns und der kirchengeschichtlichen Aufarbeitung wurde nicht zu Unrecht von einer „Märtyrervergessenheit“ bei einigen evangelischen Freikirchen gesprochen.

In diesem Bewusstsein möchte ich beispielhaft an einen adventistischen Geistlichen erinnern, dessen Blutzeugnis erst vor wenigen Jahren wahrgenommen wurde. Karl Georg Harreß wirkte als Pastor in Lüdenscheid, Hannover, Kassel, Dortmund, Osnabrück und Oldenburg. Im Dezember 1941 wurde er von der Gestapo einbestellt. Im Verhör befragte man ihn zu seiner Haltung zu Juden. In einer bemerkenswerten Klarheit verwies er auf Sacharja 2,12, wo Gott „gegen die Völker, die euch (Israel) ausgeplündert haben“, spricht: „Wer euch (Israel) antastet, der tastet meinen Augapfel an.“

Karl Georg Harreß wurde vom Volksgerichtshof verurteilt und kam zunächst in das KZ Sachsenhausen, anschließend in das KZ Groß-Rosen bei Breslau. Aus einem Brief geht hervor, dass er dort den Gruß „Heil Hitler“ verweigerte. Gezeichnet von übermäßiger Schwerstarbeit und unzureichender Versorgung starb er unter ungeklärten Umständen am 6. Juli 1942. Sein Märtyrertod jährte sich in diesem Jahr zum 80. Mal.

Die Ausstellung führt uns die Schicksale ökumenischer Märtyrer eindrucksvoll vor Augen. Sie legen gemeinsam ein vielstimmiges Zeugnis für einen Glauben ab. Doch auch in den Zwischenräumen außerhalb der Portraitierungen erklingt ein stummer Hall. Es ist das Echo der ungenannten und der bisweilen unbekannten Märtyrer.

Möge ihr Andenken ein Segen sein in unserer und in der kommenden Welt.

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